Beschluss des FDP Präsidiums zu Energiewende – erste Schritte zu Ansätzen für einen Neustart der Energiewende

Das Präsidium der FDP hat am 12.02.2014 einen interessanten und diskussionsanregenden Beschluss zur weiteren Entwicklung der Energiepolitik gefasst.
Dieser Beschluss könnte ein erster Schritt zu Neuorientierung der Energiepolitik der FDP sein. Wichtig wäre jetzt, diesen ersten Schritt konsequent fortzuführen, bisher noch ausgeblendete wesentliche Aspekte miteinzubeziehen und die im Beschluss genannten Elemente einer Reform der Energiepolitik konsistenter miteinander zu verbinden.

Für die Ausrichtung des „Neustarts der Energiewende“ ist der zugespitzte Satz von Christian Lindner in der Pressekonferenz bemerkenswert, der so im Text des Beschlusses nicht vorkommt:

„Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit gehen vor Tempo und Klimaschutz“.

Dies ist eine bemerkenswerte Veränderung der Positionierung gegenüber denjenigen, für die bisher Klimaschutz und Energiewende reiner Selbstzweck waren, ohne Rücksicht auf die Menschen und die Wirtschaft in unserem Lande.

Zur Diskussion des Präsidiumsbeschlusses:
Ohne jedes Wort des Beschlusses auf die Goldwaage legen zu wollen, sind aus meiner Sicht einige positive Aspekte sowie einige offensichtliche Ansätze für Verbesserungen und Fortentwicklungen des Beschlusses anzusprechen.

Begrüßenswerte Aussagen und erste Schritte in die richtige Richtung
Folgende Punkte aus dem zitierten Beschluss halte ich für besonders begrüßenswert:

• Der Beschluss des FDP-Präsidiums beschreibt die Symptomatik, die sich aus der Fehlsteuerungen der Energiewende ergeben hat, recht ähnlich wie mein damaliger Blogbeitrag
Es ist ein begrüßenswerter deutlicher Fortschritt in der Politik der FDP, die Realität nun ungeschminkt zur Kenntnis zu nehmen und die durch die Energiewende entstandenen und sich weiter verstärkenden Probleme auch klar zu benennen.

• Positiv hervorzuheben ist die Aussage „wer keine gesicherte Leistung anbietet und die öffentlichen Stromnetze in Anspruch nimmt, muss sich auch an den Systemkosten beteiligen. Dies ist ein erster Schritt, sich von dem bisherigen Prinzip abzuwenden, das ausschließlich darauf setzt, möglichst viel erneuerbaren Strom zu erzeugen, unabhängig davon, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies geschieht und ob örtlich und zeitlich überhaupt eine Abnahmemöglichkeit für diesen Strom besteht.

• Richtig ist aus dem gleichen Grund auch die Aussage, dass die unkonditionierte Abnahmegarantie (Einspeisevorrang) für erneuerbare Energien ein Ende finden muss, zumindest für Neuanlagen. Strom, der nicht benötigt wird, soll auch nicht bezahlt werden müssen.

• Ein wichtiger Hinweis ist auch, dass die Energiewende nicht nur die Stromversorgung sondern ebenso Wärmeerzeugung und Verkehr betrifft. Damit ergeben sich neue Ansätze für integrierte Lösungen.

• Für mich wesentlich ist auch die Aussage, dass „die Energiewende endlich als europäisches Projekt konzipiert werden muss“. Deutsche Alleingänge sollten jetzt langsam mal ein Ende finden.

• Richtig ist selbstverständlich auch, dass die Energiewende eines grundlegenden Neustartes bedarf (der bisherige Ansatz also vermurkst war) und dass vor allem die immer detailliertere Planwirtschaft endlich durch marktwirtschaftliche Lösungen korrigiert werden muss.

Wichtige Ansätze für eine Fortführung der Ideen des FDP-Beschlusses und für die Herstellung einer konsistenteren Position

Um diese interessanten und produktiven Ansätze konsequent fortzuführen, wären weitere Schritte und Fortentwicklungen sinnvoll:

• Wichtig wäre als erstes, weitere zu lösende Probleme klar zu benennen. Drei in meinem früheren Blogbeitrag genannte wichtige Symptome werden nämlich im Beschluss des FDP-Präsidiums noch nicht mit benannt. Dies sind

  1. die vielen negativen Auswirkungen auf die Umwelt,
  2. die fehlgesteuerte Konzentration auf große Erzeugungsanlagen fern von den Verbrauchern (v.a. offshore Windparks) und
  3. die unzumutbare und rücksichtslose einseitige Belastung unserer europäischen Nachbarländer. Die Energiewende kann und darf nicht gegen unsere Nachbarländer und auf deren Rücken und auf deren Kosten umgesetzt werden. Der bisherige deutsche Alleingang in dieser Frage ist skandalös. Auch diese Probleme müssten bei einem Neustart der Energiewende mit angepackt und gelöst werden.

• Das Prinzip, dass eine gesicherte Leistung der Stromerzeugung gegeben sein muss, wird im Beschluss des FDP-Präsidiums nicht weiter fortgeführt und durch einzelne Aussagen sogar konterkariert. „Gesicherte Leistung“ bedeutet ja, dass garantiert verfügbare Erzeugungskapazitäten vorhanden sein müssen, um jederzeit die jeweilige Stromabnahme befriedigen zu können. Das Kernproblem des weitaus größten Teils erneuerbarer Energieerzeugung ist aber eben ihre sehr hohe Unstetigkeit. Derzeit liefern die Erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne in Summe über mehrere Monate im Jahr fast gar keinen Strom. Die alternativen Erzeugungskapazitäten für diese Zeiten müssen aber nun mal bereitgestellt werden. Dieses Kernproblem scheint von den Autoren des FDP-Präsidiumspapiers übersehen worden zu sein. Um Kapazitätsleistung effizient abzusichern, sind deshalb zwei wesentliche Dinge zu tun:

  1. Erstens muss von der reinen „Mengenideologie“ abgegangen werden. Es ist überhaupt nicht egal, wann und wo Strom erzeugt wird, deshalb kann man nicht einfach Strommengen (also kWh) zusammenzählen. Ort und Zeit sowie Sicherheit der Verfügbarkeit sind vernünftigerweise immer zu berücksichtigen. Das vom Präsidium der FDP propagierte europaweite Quotenmodell setzt jedoch weiterhin auf eine reine Mengenideologie mit all den negativen Nebeneffekten, die derzeit auch das EEG schon produziert. Es kommt eben nicht darauf an, irgendwann irgendwo mal erneuerbare Energie einzuspeisen sondern sehr wohl darauf, dass es zur richtigen Zeit am richtigen Ort parallel zur Abnahme geschieht.
  2. Wenn zweitens die Bereitstellung verfügbarer Kapazität als Leistung unbedingt benötigt wird, dann muss sie auch bezahlt werden und sollte möglichst durch marktwirtschaftliche Instrumente im Markt gehandelt werden können. Es ist deshalb vollkommen unverständlich, dass das FDP- Präsidium Kapazitätsmärkte ablehnt und passt auch nicht zu der allgemeinen begrüßenswerten Forderung nach mehr Markt. Wenn man eine unbedingt erforderliche Leistung von Marktmechanismen ausschließt, kann es dadurch nur teurer und ineffizienter werden. Es handelt sich bei der Vergütung von Kapazitätsbereitstellungen auch nicht um „neue Subventionstöpfe“, wie das FDP-Papier unverständlicherweise behauptet. Die Kosten für diese Leistung fallen ja derzeit und in Zukunft auf jeden Fall an, werden aber weder transparent ausgewiesen noch effizient gehandhabt. Diese Leistungen werden stattdessen heute entweder durch die Netzbetreiber in intransparenter Weise organisiert oder schlicht durch staatliche Zwangsanordnung vorgegeben.

In diesem Zusammenhang ist dringend zu hinterfragen, warum die geäußerte Forderung dass „wer keine gesicherte Leistung anbietet und die öffentlichen Stromnetze in Anspruch nimmt, .. sich auch an den Systemkosten beteiligen (muss)“ nur für Neuanlagen gelten soll. Auch wenn die EEG-Vergütung gesetzlich für Bestandsanlagen festgeschrieben ist, so gibt es doch keinen ersichtlichen Grund, diese Anlagen nicht an Netz- und Speicherkosten (z.B. durch eine „Unstetigkeitsabgabe“) verursachungsgerecht zu beteiligen. Hier würde ich mir von der FDP deutlich mehr Mut und Konsequenz wünschen.

•  Weiterhin wird nicht der Tendenz entgegengetreten, Erneuerbare Energien als Selbstzweck zu begreifen. Es gibt sehr wohl eine Reihe von Gründen, Erneuerbare Energien zu fördern, so z.B. Klimaschutz, Reduzierung von Emissionen (z.B. Schwefel- und Stickoxide) und Verringerung der Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten. Nur sind es diese Ziele, die konkret zu verfolgen sind, nicht vorgegebene Detaillösungen Erneuerbarer Energien. In den in Deutschland geplanten Zeiträumen (Energiekonzept bis 2050) werden sich mit Sicherheit technische Entwicklungen ergeben, die heute noch nicht zu übersehen sind, Technologieoffenheit ist deshalb zu gewährleisten. Dazu sind endlich die zu verfolgenden Ziele, nicht die Mittel im Detail, genauer zu beschreiben. Dabei muss die FDP sich auch ehrlich machen, ob sie wirklich weiterhin die Ausbauziele 2050 für erneuerbare Energien akzeptieren möchte. Der Präsidiumsbeschluss tadelt zwar, dass Ausbauziele nicht hinterfragt werden dürfen, fasst das Thema der konkreten Ausbauziele aber selbst nicht an.

Marktwirtschaftliche Prinzipien sollten noch konsequenter durchgehalten werden.
Dass auch die Kapazitätsbereitstellung marktwirtschaftlichen Regeln unterworfen werden sollte, wurde oben bereits erwähnt.
Marktwirtschaftliche Instrumente sollten auch in erster Linie einen Regelungsrahmen schaffen. Die Vorgabe von Quoten für erneuerbare Energien statt zu erreichenden Zielen (wie oben bereits beschrieben) ist nicht unbedingt marktwirtschaftlich sauber gelöst. Auch die Ausschüttung von zusätzlichen Subventionen kann schlecht unter „mehr Marktwirtschaft“ subsumiert werden. Die Forderung des Beschlusses nach mehr steuerlicher Förderung für Gebäudesanierung passt deshalb eigentlich nicht zu den sonstigen grundsätzlichen Aussagen. Wer Gebäudesanierung subventionieren möchte, die sich wirtschaftlich nicht rechnet und ökologisch höchst fragwürdig ist und dies (wie der FDP-Beschluss) damit begründet, dass sonst die formalen Ziele der Energiewende nicht erreicht würden (Ziele, die sowieso zu hinterfragen sind!), der macht zwar einigen Immobilienbesitzern eine Freude, stärkt aber sicherlich nicht die Marktwirtschaft. Diese Forderung ist ein unpassender Fremdkörper im Gesamtzusammenhang des Präsidiumsbeschlusses.

Zusammenfassung
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Präsidiumsbeschluss der FDP wichtige Anregungen und Ansätze zu einer Verbesserung der Umsetzung der Energiewende liefert. Wenn jetzt noch ein Grundverständnis für die Kernproblematik und Lösungsansätze der ungeplant schwankenden Erzeugung erneuerbarer Energien, eine Untersetzung auch der technischen Machbarkeit von Maßnahmen und Ansätzen und eine konsequentere und konsistentere Durchsetzung von marktwirtschaftlichen Prinzipien hinzukäme, wäre der Anspruch, einen durchdachten Neustart der Energiewende aufzuzeigen, durchaus adäquat erfüllt.

Henner Schmidt

Henner Schmidt ist Mitglied des Landesvorstandes der FDP Berlin. Beruflich berät er als Partner einer Unternehmensberatung schwerpunktmäßig Unternehmen in der Chemieindustrie und der Energiewirtschaft.