Mut zum Neuanfang der FDP – Fehler des Regierungshandelns offen zugeben

Das Wahlergebnis der FDP war eine Bewertung von vier Jahren Regierungspolitik durch diejenigen, die zu ihrer Bewertung berufen sind: die Wähler. Die Bewertung, die der Wähler für die FDP getroffen hat, ist bekannt – Note: ungenügend.

Dieser schmerzhaften Tatsache muss die alte und die neue FDP-Führung ins Auge sehen. Die FDP als Partei sollte diese Bewertung annehmen, anstatt zu versuchen, sich das Ergebnis schön zu reden.

Es ist verständlich, dass diejenigen Menschen, die sich in Parlament und Regierung redlich im tagespolitischen Geschäft bemüht haben, nicht gerne hören wollen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Es ist verständlich, dass diejenigen, die sich an einem blockierenden, immer weiter in einen demokratischen Sozialismus abdriftenden, unkooperativen und  geradezu feindseligen Koalitionspartner abgearbeitet haben, um wenigstens einige wenige hart erkämpfte Kompromisse zu erringen, für ihre Anstrengungen gelobt und nicht getadelt werden wollen.

Nur: das alles zählt nicht. Es zählt das Ergebnis. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die FDP in der schwarz-gelben Regierung eines ihrer wenigen verbliebenden Kompetenzfelder, ihr Eintreten und ihr Verständnis für marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik, geschleift hat. Faule Kompromisse bei Mindestlöhnen, das Plädoyer für Finanztransaktionssteuern, die von der FDP mit entwickelte Planwirtschaft der „Energiewende“ und die Erfindung immer wieder neuer Abgaben (Brennelementesteuer, Luftverkehrsabgabe, offshore-Anbindungs-Zuschlag auf den Strompreis) sind dafür sichtbare Symptome. Genau deshalb haben viele, die 2009 eine stärker marktwirtschaftlich ausgerichtete Politik wollten, sich nun von der FDP abgewendet. Die FDP hat sich durch die Räumung von wesentlichen Positionen, in denen sie noch Alleinstellungsmerkmale geltend machen konnte, aus Sicht einer großen Mehrheit der Wähler schlicht überflüssig gemacht. Eine FDP, die nur noch eine Schwundausgabe einer sozialdemokratisierten und sozialpopulistisch-beliebigen CDU ist, findet im politischen System Deutschlands keine Nische zum Überleben.

Natürlich kann die FDP nur mit wirtschaftsliberalen Positionen allein keine stabile Position erreichen. Es ist höchst wünschenswert und wichtig, dass auch in anderen Bereichen pointiert liberale Positionen vertreten werden, damit man sieht, dass die FDP auch für die Eröffnung neuer Chancen zur Entfaltung der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten Aller, für Toleranz und Respekt vor Andersartigkeit, für den Schutz der Freiheit und Privatsphäre des Einzelnen und für das Bewusstsein für eine verantwortungsvolle Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft steht. Diese Themenbereiche wurden allerdings schon vor dem Regierungsantritt 2009 oft nur schwach nach außen vertreten (obwohl die FDP eine durchaus respektable programmatische Basis dafür entwickelt hat) oder gar nicht erst öffentlich besetzt. Mit dem Schleifen der einzig verbliebenen außenwirksamen Themen-Festung, der marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik, wurde die FDP von einer Ein-Themenfeld-Partei zu einer Null-Themenfeld-Partei und hat sich selbst den Boden entzogen.

Bis heute sind sich diejenigen, die für die FDP Regierungsverantwortung übernommen haben oder in der Bundestagsfraktion den Kurs der letzten vier Jahre maßgeblich bestimmt haben, kaum einer Schuld bewusst. Immer noch wird bei vielen der Mythos gepflegt, dass ja die schwarz-gelbe Regierungszeit eigentlich ein großer Erfolg war, der nur schlecht verkauft wurde. Diese Einschätzung ist grundfalsch. Die Wählerinnen und Wähler haben sehr gut gewusst, warum sie die FDP für ihre Regierungsleistung abgestraft haben. Das Wahlergebnis ist gerecht, verdient und der tatsächlichen Regierungsleistung überaus angemessen.

Die Politik der letzten vier Jahre hat nämlich mittel- und langfristig erhebliche Schäden für unser Land angerichtet. Dies betrifft die überstürzte, undurchdachte und populistisch-dilettantisch umgesetzte „Energiewende“, die unsere Bürger mit hohen Stromkosten belastet und die produzierenden Industrien, den harten Kern unserer Volkswirtschaft, in ihrer Existenz bedroht. Dies betrifft das langsame aber stetige Zurückdrehen der Agenda 2010 u.a. durch immer weitere Ausweitung von Branchen-Mindestlöhnen, Einschränkungen bei der Leiharbeit u.ä., das auf Dauer dazu führen wird, dass die Arbeitslosigkeit wieder deutlich steigen wird. Dies betrifft die mangelhafte Durchsetzung des durchaus aufrichtig gemeinten Sparwillens, so dass selbst in extremen Boomjahren und bei bestehenden Dumpingzinsen immer noch weitere Schulden im Bundeshaushalt gemacht wurden. Dies betrifft die Politik in der Euro-Frage, die sich mit emotionalen europapolitischen Appellen und der Diffamierung von Kritikern systematisch vor der Frage gedrückt hat, wohin die Regierungspolitik eigentlich führen soll und mit welchem Konzept man denn den Euro „retten“ will. Dabei sind sicher mehrere alternative Wege möglich und auch gegeneinander abzuwägen. Anders als vom Führungspersonal der FDP verkündet, kann man aber nicht freischwebend über politische Werte reden, wenn man den dafür zu zahlenden Preis nicht nennen will oder nicht nennen kann, zumal jedem klar ist, dass dieser Preis extrem hoch werden könnte, hat doch die von der FDP mitgetragene Bundesregierung das in den letzten Jahrzehnten erarbeitete Vermögen der Bundesbürger als Wetteinsatz in einem Spiel mit den großen Finanzinstitutionen um den Euro riskiert – mit unsicherem Ausgang.

Auch wenn die Große Koalition nun all diese Fehlentwicklungen weiter beschleunigt und intensiviert, wird die FDP sich nicht besser positionieren können, indem sie kleine Abweichungen zur im Prinzip identischen Politik der Großen Koalition präsentiert. Die FDP-Konzepte von „Mindestlohn light“ und „Finanztransaktionssteuer light“ haben keine neuen Wählerschichten erschlossen, ebensowenig wie die zaghaften Versuche, die Kostenexplosion der Strompreise zu begrenzen, ohne an den Grundannahmen der verfehlten Energiepolitik zu rütteln.

Nein, die vier letzten Jahre waren keine „vier guten Jahre“. Je eher man sich mit dieser Wahrheit auseinandersetzt, je eher die FDP ihre Fehlentscheidungen und Fehlleistungen in der Regierung erkennt und sich von ihnen distanziert, desto eher wird sie auch wieder beim Wahlvolk punkten können. Fehler werden verziehen, insbesondere wenn man sich für sie entschuldigt, rechthaberisches Bestehen auf den Fehlern nicht.

Henner Schmidt

Henner Schmidt ist Mitglied des Landesvorstandes der FDP Berlin. Beruflich berät er als Partner einer Unternehmensberatung schwerpunktmäßig Unternehmen in der Chemieindustrie und der Energiewirtschaft.