Den Irrweg der „Rekommunalisierung“ umkehren: mehr private unternehmerische Initiative für Berlin

Im November 2013 scheiterte ein Volkentscheid zur Verstaatlichung (etwas verschämt „Rekommunalisierung“ genannt) der Gas- und Stromnetze in Berlin nur knapp an der zu geringen Wahlbeteiligung. Aber immerhin 600.000 Berlinerinnen und Berliner wollten, dass das Land Berlin den Betrieb der Netze übernehmen solle.
Der Berliner Senat treibt diesen Kurs weiter unbeirrt voran. Nach dem Rückkauf der Wasserbetriebe für eine Milliardensumme bewirbt das Land sich nun auch um den Kauf und Betrieb der Gasnetze und der Stromnetze und ist auch hier bereit, weitere Milliardensummen einzusetzen. CDU und SPD haben dieses Vorgehen in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen und stehen geschlossen dahinter, keine Fraktion im Abgeordnetenhaus äußert grundsätzliche Bedenken. Die einzige politische Kraft, die dieses Vorgehen kritisiert, die FDP, ist nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten.

Die öffentliche Hand hat bei der „Rekommunalisierung“ Eigeninteressen
Dabei sollte jedem die Erfahrung mit den Wasserbetrieben zu denken geben. Das Land Berlin hat nämlich von der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe nicht nur durch einen hohen Kaufpreis profitiert, sondern sich auch regelmäßig bis zu 250 Mio. Euro im Jahr aus den Wasserbetrieben herausgezogen – überhöhte Gewinne, die die Kunden durch überhöhte Preise finanzieren mussten. Erst das Bundeskartellamt hat dieses Spiel beendet und Preissenkungen erzwungen. Dies zeigt, dass offensichtlich auch die öffentliche Hand eigene finanzielle Interessen hat, die oft zu Lasten der Nutzer und Kunden gehen
Dass öffentliche Unternehmen zur „Entsorgung“ gescheiterter Politiker auf gut dotierte Posten missbraucht werden, ist weit verbreitet und auch in Berlin durch zahlreiche Beispiele belegt. Diese Menschen verfolgen dann auch ihre eigene persönliche Agenda oder die politische Agenda ihrer Partei. Die Umsetzung dieser persönlichen Eigeninteressen wird, anders als bei Privaten, nicht durch die Wirtschaftlichkeit begrenzt, denn die öffentliche Hand übernimmt ja alle Verluste.

„Rekommunalisierung“ nützt den Banken mehr als dem Landeshaushalt
Die Rekommunalisierung der Gas- und Stromnetze soll (wie bei den Wasserbetrieben) auf Kredit stattfinden. Das Land belastet sich mit Schulden in Milliardenhöhe, um diese Betriebe zu kaufen. Der Aufkauf von Wasserbetrieben, Gas- und Stromnetzen auf Kredit läuft vor allem auch darauf hinaus, dass das Land Berlin nun Jahrzehnte die Kredite bei den Banken zu tilgen und zu verzinsen hat. Die Gewinne aus dem Betrieb fließen also an (private) Banken und andere Kapitalgeber, nicht in den Landeshaushalt.
„Rekommunalisierung“ beinhaltet hohe Risiken für die öffentliche Hand, eine „politische Steuerung“ ist dagegen kaum möglich
Die Diskussion über mögliche Gewinn lenkt davon ab, dass auch das Land Berlin wie jeder Private sein in Betrieben eingesetztes Kapital verzinsen muss, erst recht, wenn dieses Kapital als zu verzinsender Kredit aufgenommen wurde.
Gerade bei den Gas- und Stromnetzen besteht zudem ein reales Risiko, dass auch hohe Verluste auftreten können. Die gesetzlichen Vorgaben und Regulierungen sind dort sehr hoch und sehr detailliert, die Preise sind durch die Regulierungsbehörde dagegen nach oben begrenzt. Wer schlecht wirtschaftet, schreibt rote Zahlen. Verluste eines öffentlichen Betriebs fallen aber an den Landeshaushalt und damit an den Steuerzahler.
Dagegen besteht kaum eine Möglichkeit, Gas- und Stromnetze „politisch gesteuert“ zu betreiben. Die sehr detaillierten Vorgaben der Regulierungsbehörde lassen dazu kaum Spielraum.

Der liberale Ansatz: Nicht nur „Rekommunalisierungen“ vermeiden, sondern mehr öffentliche Leistungen durch private Unternehmen erbringen lassen
Liberale gehen davon aus, dass Unternehmen am besten von privaten Eigentümern betrieben werden. Die öffentliche Hand muss explizit begründen, warum sie etwas selbst übernehmen will und warum das denn für die Bürgerinnen und Bürger Vorteile bringen soll. Solche Vorteile sind konkret zu benennen und zu belegen.
Der Ansatz, öffentliche Leistungen regelmäßig im Wettbewerb auszuschreiben, bietet eine Reihe von Vorteilen. In vielen Bereichen hat sich gezeigt, dass ein Wettbewerb von privaten Unternehmen Alternativen aufzeigen und Druck für mehr Innovationen, Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen ausüben kann. Durch regelmäßigen Wettbewerb wird immer wieder neuer Schwung eingebracht und neues Denken gefördert. Neue technische Ansätze und ausgefeilte fachspezifische Betriebskonzepte können so eingebracht und neu entwickelt werden.
Die immer wieder verlangte politische Steuerung öffentlicher Leistungen, also die Festlegung von Standards, Qualitätsniveaus und anderen Vorgaben, kann – und soll – auch im Rahmen von Ausschreibungen vorgenommen werden.
Selbstverständlich müssen Ausschreibungen von Leistungen professionell durchgeführt werden. Dazu braucht man auch gute Fachleute. Auch diese vorzuhalten kostet natürlich Geld. Es wäre aber sinnvoller, wenn das Land Berlin sich auf die optimale Vergabe öffentlicher Dienstleistungen konzentrieren würde und dafür Fachleute und Wissen bereithielte, als wenn das Land immer selbst als Betreiber auftritt.
Für neue wettbewerbliche private Lösungen gibt es zahlreiche Handlungsfelder in Berlin
Für ein wettbewerbliches privates Vorgehen finden sich viele geeignete Beispiele im Angebot öffentlicher Dienstleistungen in Berlin – von den Wohnungsbaugesellschaften bis zu den Bäderbetrieben und vom Öffentlichen Nahverkehr bis zu Krankenhäusern.

Mehr Mut zur Privatisierung, auch in Berlin
Die Chance, private Betreiber einzubinden, ermöglicht es, die Risiken an Private abzugeben und fördert gleichzeitig das Einbringen neuer Ideen und die Nutzung des technischen Fortschritts durch neue Konzepte.
Es ist deshalb an der Zeit, dass Berlin aufhört, immer weitere Leistungen durch die öffentliche Hand selbst erbringen zu wollen. Statt dessen soll Berlin sich darauf konzentrieren, mit den wirklich wichtigen Hebeln die Entwicklung der Stadt besser zu steuern. So entstünden attraktivere Bedingungen für Bürgerinnen, Bürger und für Unternehmen in unserer Stadt.
Diese Haltung ist in Berlin bekanntlich eine Minderheitsmeinung. Nur die Liberalen sind bereit, eine solche Alternative zum politischen Mainstream zu vertreten. Sie haben deshalb die Aufgabe, dies möglichst offensiv und deutlich zu tun und sie haben damit die Möglichkeit, ihre Existenzberechtigung im politischen Spektrum Berlins zu beweisen. Denn auch wenn diese Haltung nicht oft geteilt wird, so begrüßen viele Menschen in unserer Stadt, dass eine Alternative zum politischen Einheitsbrei aufgezeigt wird. Diesen Mut sollten die Liberalen in Berlin haben.

Henner Schmidt

Henner Schmidt ist Mitglied des Landesvorstandes der FDP Berlin. Beruflich berät er als Partner einer Unternehmensberatung schwerpunktmäßig Unternehmen in der Chemieindustrie und der Energiewirtschaft.