Chancen eröffnen – Leistungsträger unterstützen

Vor wenigen Tagen verkündete die FDP ihr (aus meiner Sicht durchaus gelungenes) neues Leitbild “Chancen ermöglichen” mit dem darin enthaltenen FDP-Versprechen “Aufstieg durch eigene Leistung”

Kurz danach fordert der stv. Bundesvorsitzende Kubicki die vollständige Abschaffung der Erbschaftssteuer.

Das passt nicht gut zusammen. Selbstverständlich sind die Steuern zu hoch, das kann man nicht oft genug sagen. Der Staat ist gefräßig und wird immer gefräßiger. Frau Merkel. Herr Schäuble und Herr Gabriel machen nicht den geringsten Versuch, den Menschen von ihrem hart erarbeiteten Geld etwas mehr in der Tasche zu lassen.

Nun muss man aber auch bei Steuersenkungen Prioritäten setzen. Das Steuersenkungspotenzial ist nun einmal begrenzt, man kann ja nicht alle Steuern abschaffen, denn gewisse staatliche Leistungen sind selbstverständlich zu finanzieren.

Abgeleitet vom neuen Leitbild müsste es der FDP dann konsequenterweise wichtiger sein, Leistungsträger und risikobereite Aufsteiger zu entlasten als reichen Erben die Erbschaftssteuer auf ihr leistungslos erhaltenes Erbe zu senken. Ich sage bewusst „reiche Erben“, denn mit Freibeträgen von 400.000 Euro für jedes Kind und 500.000 Euro für den Ehepartner sowie großzügigen Sonderregelungen für selbstgenutzte Immobilien und für Betriebsvermögen bleiben heute schon viele Erbschaften steuerfrei.  Der Handlungsbedarf bei der Erbschaftssteuer ist also sicher geringer als z.B. bei der Abschaffung der kalten Progression. Die FDP sollte deshalb klare Prioritäten für Steuersenkungen entsprechend ihres eigenen neuen Leitbildes setzen.

Nach ihrer Regierungszeit in der Bundesregierung und bei manchen Aussagen zu einzelnen Politikfeldern sollte sich die FDP insgesamt davor hüten, den Eindruck zu erwecken, dass sie eine Politik für Vermögende mache. Die so oft geschmähten „Besserverdiener“ haben, wenn sie aus eigener Leistung Werte geschaffen haben und Risiken eingegangen sind,  entsprechend der im neuen Leitbild verankerten Maxime „Aufstieg durch eigene Leistung” durchaus Unterstützung bei der Senkung ihrer Belastungen verdient. Für leistungslos erzielte Vermögenzuwächse gilt dies jedoch nicht.

Das zeigt sich z.B.  bei den Auswirkungen der Euro-Politik: In den letzten Jahren wurden Sparer und Versicherte durch Entwertung ihres Vermögens durch politisch gewollte Dumping-Zinsen belastet, während Immobilienbesitzer durch die Flucht in Betongold leistungslose Vermögenszuwächse erlebten und Hedgefonds hohe Spekulationsrenditen erzielten, wenn sie darauf setzten, dass Länder wie Griechenland oder wacklige Banken letztlich doch von der Allgemeinheit gerettet würden – eine Umverteilung von unten nach oben.

Ähnlich läuft es bei der „Energiewende“, auch hier sehen wir eine deutliche Umverteilung von unten nach oben: Die Stromkosten für Haushalte und kleine Betriebe steigen immer weiter, so weit, dass immer mehr Haushalten der Strom abgestellt wird, weil sie nicht mehr zahlen können. Bauern, die Land für Solar- oder Windanlagen verkaufen oder verpachten oder auf Scheunendächer Solarmodule montieren, erzielen dagegen sehr hohe Einnahmen. Abschreibungs- und Investitionsmodelle, die früher Schiffsbeteiligungen oder Medienfonds zum Gegenstand hatten, werden mehr und mehr auf erneuerbare Energieanlagen angewendet und sparen vielen Gutverdienern Steuern – auch wenn viele Modelle genauso daneben gehen wie früher manche Schiffsabschreibungen (siehe Prokon). Die EEG-Umlage wird gleichzeitig zu einer Art umgepoltem Länderfinanzausgleich: Das arme Berlin zahlt per Saldo 463 Mio. € pro Jahr ein (NRW sogar 2.924 Mio. €), das reiche Bayern erhält 770 Mio. € pro Jahr. Der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, bringt die hier sichtbare Umverteilung von unten nach oben auf den Punkt: “Mich wundert, dass die ganzen Gerechtigkeitstheoretiker im Bundestag nicht erkennen, dass die Rentnerin und der Bafög-Empfänger die Zeche zahlen für die garantierte Rendite der grünen Anleger in Ökostrom.”

Die FDP täte gut daran, anhand ihres neuen Leitbildes deutlich zu machen, dass sie Chancen eröffnet, indem Bürger entlastet werden und sich Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbereitschaft durch das Eingehen unternehmerischer Risiken wieder mehr lohnt. Leistungs– und risikolose „Windfall Profits“, die rein durch die Bevorzugung durch politisches Handeln entstanden sind, bedürfen dagegen keines besonderen politischen Schutzes.

Ich würde mich deshalb freuen, wenn die FDP ihr neues Leitbild nutzt, um klar zu machen, dass sie die Leistungsträger unterstützt und ermutigt und dass dies etwas ganz anderes ist, als reflexhaft die Vermögenden zu schützen.

 

Henner Schmidt

Henner Schmidt ist Mitglied des Landesvorstandes der FDP Berlin. Beruflich berät er als Partner einer Unternehmensberatung schwerpunktmäßig Unternehmen in der Chemieindustrie und der Energiewirtschaft.